nach Mascha Kaléko, Sozusagen grundlos vergnügt,
Klassische Lyrik, neu verfasst, erschienen in
"DIE ZEIT" vom 18. April 2013
Sozusagen grundlos sauer
Mich ärgert, dass der Himmel blau ist
Die Sonne scheint, die Luft so lau ist.
Mich ärgert auch die weiße Jahreszeit,
Wenn Eiskristalle blühen und es von oben schneit.
Dass Wölfe heulen und die Bären brummen,
Dass Gänse schnattern und die Krähen krähen.
Dass Flocken aus dem Schwarzen fallen.
Dass Vögel stumm sind. Und dass Fische singen.
Mich ärgert, dass kein Stern vom Himmel fällt
Und dass die Sonne uns den Pelz verbrennt.
Dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter
Gefällt mir nicht. Da steckt kein Sinn dahinter,
so wenig wie in diesem komischen Gedicht
Wenn auch die ach so Schlauen wer-weiß-was hierin sehen
Man kann nicht alles ungeköpft verstehen!
Ich ärgere mich. Und das ist meines Lebens Sinn.
Ich ärgere mich vor allem, dass ich bin.
In mir ist alles durcheinander und ganz düster:
Hab keine Kohle, keinen Kerl und kaum noch Kraft.
An solchem Tag, da fällt man von der Leiter
Die Stufen bis zur Hölle und noch weiter.
Da kann kein Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
weil er sich selber hasst – den Nächsten lieben.
Mich ärgert, dass gedankenlos ich nach dem Schönen greife
Und blind bin für die Wunder dieser Welt.
Dass alles immer gleich bleibt, so beim Alten!
Mich ärgert so, dass ich … Dass ich mich ärgere.